Stadtteil-Kurier - Weser-Kurier, 17.09.2015

Selbsterkenntnis im Schattenspiel

Zum dritten Mal gastiert ab kommendem Sonntag die kindgerechte Ausstellung „Gestatten, ich bin dein Schatten“ in der Weserburg. Einige Exponate kommen von Schülern des Leistungskurses Kunst am Gymnasium Horn. „Beteiligung gehört zum Konzept der Ausstellung“, sagt Museumspädagogin Eva Maria Vonrüti Möller vom Verein Kek-Kindermuseum, der die Ausstellung organisiert. Mit den vielen Mitmach-Stationen werde auch den Besuchern mehr geboten als ein Tag im Museum, kündigt sie an. Ob klein ob groß – wer möchte, kann mit seinem Selbstporträt Teil der Ausstellung werden.

VON CHRISTIANE MESTER

Ganz auf den Schatten konzentriert, der durch die Glasplatte scheint, umfährt Patricia Pellegrino mit dem Stift die Gesichtskonturen ihrer Klassenkameradin Shajana Reuter. Mit sicherer Hand überträgt sie nach und nach die Silhouette von Shajana auf das zarte Papier. Der Holzrahmen, der die aufgerichtete Scheibe umfasst, ist seitlich an dem Stuhl befestigt, auf dem die Porträtierte sitzt. Die beiden 15-Jährigen sind Schülerinnen im Kunst-Leistungskurs am Gymnasium Horn, das sich mit einigen Arbeiten an der bevorstehenden Ausstellung in der Weserburg beteiligt.

Die eigenartige Möbelkonstruktion, auf dem das Mädchen aufrecht und ruhig sitzt, hat die Museumspädagogin Maria Vonrüti Möller an diesem Tag mit in den Kunstunterricht gebracht. „Es ist eine originalgetreue Nachbildung eines historischen Silhouettierstuhls“, erklärt die Fachfrau aus dem Halbdunkeln heraus. Die Jalousien sind heruntergelassen, nur der Lichtkegel, der auf die Schülerin hinter der Glasscheibe gerichtet ist, spendet Licht im kleinen Materialraum.
Gespannt wartet Shajana derweil auf ihr Schattenporträt. „Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst wird auf diese Weise angeregt“, meint Vonrüti Möller. „Gestatten, ich bin dein Schatten“ – der Ausstellungstitel komme einem Appell zur Selbstreflektion gleich und der richte sich an Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Das Bildnis offenbart die Profilansicht und damit auch eine ungewohnte Perspektive auf das eigene Äußere, das den Mitmenschen für gewöhnlich besser bekannt ist, als dem Porträtierten selbst. Vor allem den kleinen Besucherinnen und Besuchern könnte das einen Überraschungsmoment bescheren.

„Wenn wir uns im Spiegel anschauen, tun wir das ja meistens nur von vorn“, sagt eine Schülerin, die im Nebenraum damit beschäftigt ist, zarte Bleistiftkonturen mit sattem Schwarz auszufüllen. Unter der feuchten Tusche wellt sich das Papier. Einen solchen Schattenriss von sich herzustellen, ist eine oft gestellte Aufgabe im Kunstunterricht. Außergewöhnlich sei hier der historische Silhouettierstuhl, erklärt das Mädchen weiter. Das Objekt habe fächerübergreifend dazu angeregt, sich mit Geschichte im Allgemeinen und mit Literatur- und Kunstgeschichte im Besonderen zu beschäftigen: „In Deutsch und Geschichte ging es im die Epoche der Aufklärung, in der die Menschen angefangen haben, sich intensiv mit sich selbst und ihrer Natur auseinanderzusetzen. Dann kam irgendwann Goethe, in dessen Werk sich der Geist dieser Zeit spiegelt“, referiert sie weiter ohne mit dem Pinseln aufzuhören.
Die Museumspädagogin weiß noch mehr zu erzählen: „Goethe hat selbst auch eine große Silhouetten-Sammlung besessen“, sagt sie. Zunächst als billige Bildchen verschrien, seien die Schattenrisse in intellektuellen Kreisen immer beliebter geworden und hätten sich von dort aus immer mehr verbreitet. Ein „regelrechter Hype“ sei um die Miniatur-Porträts entstanden. „Es war damals sehr trendy, Silhouetten-Bilder berühmter Persönlichkeiten zu sammeln.“ Mit einem speziellen Zeichengerät, dem sogenannten Pantografen, seinem Aussehen nach auch als „Storchenschnabel“ bezeichnet, lässt sich das Bildnis auf ein kleineres Format bringen.

Genau das auch zu tun, dazu lade die kommende Ausstellung in der Weserburg ein, rührt die Museumspädagogin die Werbetrommel: Im Silhouettiersalon könnten es die Besucherinnen und Besucher den Kunst-Schülerinnen gleichtun und Schattenporträts von sich herstellen. Das nötige Gerät zum Verkleinern der Werke auf Postkartenformat liege ebenfalls in der Werkstatt bereit.
Der Flyer verrät: Wer möchte, kann Teil der Sammlung werden und ein Porträt von sich in der Galerie ausstellen. Insgesamt laden mehr als neun verschiedene Stationen zum Mitmachen ein, lässt Eva Maria Vonrüti Möller weiter wissen. Dem Thema „Schatten“ widme sich die Ausstellung mittels unterschiedlicher Zugänge: „Literatur, bildende Kunst und Theater als auch Film spielen eine Rolle.“
In den Makemedia-Studios im Zentrum für Medien am Landesinstitut für Schule arbeiteten außerdem zwei Schülergruppen vom Gymnasium Horn an Trickfilmen, die ebenfalls in der Weserburg gezeigt werden. Aufgenommen werden dabei Scherenschnitte aus schwarzem Tonpapier, die jeweils auf einen beleuchteten Glastisch gelegt werden. Aus vielen Einzelbildern entsteht dann der Film. Wer sich von dieser Technik einen Eindruck verschaffen möchte, dem empfiehlt Vonrüti Möller den Silhouetten-Animationsfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“, ein etwa einstündiges Werk aus dem Jahr 1926, an dem die deutsche Filmpionierin Lotte Reiniger mehrere Jahre gearbeitet hat und das in guter Qualität mittlerweile auf DVD erhältlich, in Ausschnitten aber auch im Internet zu finden ist.
Die Ausstellung in der Weserburg , Teerhof 20, eröffnet am Sonntag, 20. September, um 12 Uhr. Der Eintritt dazu ist kostenfrei. Die Ausstellung läuft bis zum 14. Februar 2016. Die Weserburg ist geöffnet dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr und donnerstags von 11 bis 20 Uhr. Der Eintritt für die Schatten-Ausstellung kostet fünf Euro pro Person. Familien mit bis zu vier Kindern zahlen 17 Euro. Das Rahmenprogramm bietet zahlreiche Workshops und Führungen – die erste gibt es am Dienstag, 22. September, um 15 Uhr. Alle Termine gibt es auf www.weserburg.de.

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kek Kindermuseum für Bremen e.V.